Obstbäume beschneiden

Noch immer gehen viele Menschen – auch Fachleute – davon aus, dass Obstbäume im Winter geschnitten werden müssen. Dies hat mehr mit Tradition und Kultur als mit wissenschaftlicher Erkenntnis zu tun. Seit je her waren fast immer die Bauern und Landwirte, die sich mit dem Rückschnitt, Formschnitt, Erziehungsschnitt oder dem Ertragsschnitt der Bäume befasst haben und sie taten es dann, wenn die Feldarbeit ihnen die Zeit dazu ließ – im Winter. Was für Obstbäume gilt, kann in der Regel auch auf andere Gehölze übertragen werden. Die folgenden Ausführungen haben somit für die meisten heimischen Bäume und Sträucher Gültigkeit.

Zu welchem Zeitpunkt geschnitten werden soll muss man verstehen, wie ein Baum funktioniert und welche Vitalabläufe sich zu welcher Zeit abspielen.

In den Wintermonaten ist deutlich zu sehen, dass die meisten Gehölze in die Vegetationsruhe gehen, sie werfen ihr Laub ab, es wird nun für uns unauffällig mit der Knospenbildung für das folgende Jahr begonnen, Wachstum und Wurzelaktivität bleibt weiterhin erhalten. Im Frühjahr beginnt ein Stärkerer sichtbare Aktivität über den Wurzeldruck wird der Saft durch den Stamm hinauf in die Krone und versorgt dort vor allem die Knospen.

Im Frühjahr stehen die Leitungen des Baumes dann „unter Druck“, die Knospen sind prall und wollen sich öffnen – alles ist auf Austrieb eingestellt. Schneidet man nun Äste und Triebe, wird der Baum versuchen, den Verlust zu kompensieren, indem er noch stärker austreibt. Ruhende Knospen werden aktiviert und es kommt zu einem überstarken Austrieb und den unerwünschten Wasserreisern.

Die entstandene Wunde bleibt lange Zeit offen, weil der Baum nicht darauf eingestellt ist, eine Wundversorgung vorzunehmen. Seine Energie benötigt er weiterhin für den Austrieb und so können sich Pilzsporen in dem anfälligen Gewebe der Wunde einnisten und den Baum schädigen.

Da an den frischen Wunden Saft austritt, kann es jetzt zu Erfrierungen des Holzes kommen. Ein Schnitt bei unter 4 °C und bei nassem Wetter sollte grundsätzlich vermieden werden. Gerade bei jungen Bäumen und Sträuchern, aber auch bei ganz alten, vergreisten Gehölzen hingegen ist ein Schnitt im Frühjahr eine gute Möglichkeit, den Austrieb anzureizen und so den Wuchs zu fördern. Gleiches gilt für Sträucher, die auf Stock gesetzt werden und für bestimmte Schnittformen, wie den Kopfschnitt bei Platanen oder Weiden.

Stark blutenden Gehölze – also solche, die im Frühjahr besonders viel Saft führen und diesen aus den Wunden pressen- sollten grundsätzlich in belaubten Zustand geschnitten werden. Hierzu zählen Ahorn, Birke, Walnuss, Hainbuche, Weinrebe.

Sommerschnitt:

Ist der Austrieb eines Baumes weitestgehend abgeschlossen, konzentriert er sich auf andere Aufgaben. Jetzt kann er Früchte bilden und lagert die bei der Photosynthese entstehenden Assimilate in der Wurzel ein. Was ihm an Holz und Laub genommen wird, muss der Baum nicht mehr versorgen und kann seine Energie beispielsweise in die verbleibenden Früchte stecken.

Diese werden dann schmackhafter und größer. Da der Baum den Austrieb bereits hinter sich hat, bilden sich nun auch keine Wasserreiser.
Im Sommer ist der Baum ohnehin kräftiger und stärker als im Winter (er ist nicht in der Ruhephase) und kann sich gegen Viren und Pilze besser wehren. Werden ihm im Sommer Wunden zugefügt, kann er diese zudem auch schneller überwallen, wodurch Krankheitserregern nur wenig Möglichkeit gegeben wird, sich festzusetzen.

Nicht nur die Wurzel versorgt die Krone mit Nährstoffen, sondern umgekehrt transportiert auch die Krone die bei der (in den Blättern betriebenen) Photosynthese entstandenen Produkte (Assimilate – vor allem Traubenzucker und Stärke) in den unterirdischen Teil. Durch den Rückschnitt im Sommer kann es daher zu einer Unterversorgung von Teilen der Wurzel kommen.

Dies ist jedoch nicht weiter tragisch, da die Kompensation des Mangels durch einfaches Abstoßen – vor allem von Feinwurzeln – geschieht. Die abgestoßenen Teile werden sogleich vom Bodenleben umgesetzt und schaffen dadurch lockere Gefüge, die dem Baum neuen Raum zum Wurzeln geben. Ein Nachteil durch den Sommerschnitt entsteht also auch der Wurzel nicht. Das Resultat des Sommerschnitts ist eine sich arttypisch entwickelnde Krone beziehungsweise ein der jeweiligen Pflanze entsprechender Habitus (ohne Kompensationstriebe wie Wasserreiser).

Pilzbefall wird weitestgehend ausgeschlossen und dem Baum zugefügte Wunden schließen sich
deutlich schneller und sauberer als beim Winterschnitt. Der Baum wird gestärkt in den kommenden Winter gehen.
Der Zeitraum von Juni bis September stellt einen guten Zeitraum für den sinnvollen Schnitt an Bäumen dar.

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